Im Namen der Verabredungen mit der EU werden MigrantInnen und Flüchtlinge in Marokko mit Razzien überzogen

Im Morgengrauen des 23. Dezembers 2006 waren zwischen zweihundert und vierhundert MigrantInnen von Razzien in mehreren Vierteln von Rabat (Marokko) betroffen, wurden in Busse gesetzt und mit Gewalt an die algerische Grenze transportiert. Am 25. Dezember fanden ebenfalls in Nador (im Osten des Landes) Razzien statt. Frauen und kleine Kinder wurden festgenommen, ebenso wie zahlreiche AsylbewerberInnen und Personen, die vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Etwas mehr als ein Jahr nach den Ereignissen von Ceuta und Melilla vom Herbst 2005, Schauplatz massenhafter Abschiebungen subsaharischer MigrantInnen, die die Entrüstung der internationalen Gemeinschaft hervorgerufen hatten, sind Razzien und Abschiebungen im großen Maßstab im Namen des Schutzes der Grenzen Europas von neuem an der Tagesordnung in einem Land, in dem täglich die Rechte der MigrantInnen und der Personen, die des internationalen Schutzes bedürfen, mit Füßen getreten werden.

Indem sie entschieden haben, eine «enge Partnerschaft» über die Fragen der Migration in Kraft zu setzen, haben die Staaten anlässlich der euro-afrikanischen Konferenzen über Migration und Entwicklung in Rabat (Juli 2006) und Tripoli (November 2006) die Bedeutung des «Schutzes der Rechte aller MigrantInnen» versichert, mit einer speziellen Beachtung der besonders verwundbaren Personen, ebenso wie des «Respekts für einen effektiven Schutz der Flüchtlinge und Vertriebenen». Diese fundamentalen Prinzipien scheinen jedoch eine ganz relative Tragweite zu haben gegenüber dem Willen, die MigrantInnen am Zugang zu europäischem Territorium zu hindern, denn es ist im Namen der Verabredungen, die von Marokko im Rahmen der Konferenz von Rabat getroffen wurden, dass die marokkanischen Behörden öffentlich die Abschiebungen vom 23. Dezember 2006 gerechtfertigt haben!

In Wirklichkeit bedient sich die EU, im Rahmen der Kooperation, die sie seit 2004 vorangetrieben hat, um die «äußere Dimension» ihrer Asyl- und Einwanderungspolitik abzusichern, ihrer Nachbarn im Süden, seien sie Ursprungs- oder Transitländer von MigrantInnen, um an sie den Schutz ihrer eigenen Grenzen zu delegieren, was auch immer die Konsequenzen für diejenigen sind, die sie nicht mehr überqueren können. So ist Libyen, regelmäßig kritisiert für die Menschenrechtsverletzungen, die dort begangen werden, dabei, eins der Haupt-Untervertrags-Länder der EU für die Filterung der MigrantInnen aus dem Süden Afrikas zu werden. So ist es auch Marokko, das als privilegierter Partner der EU im Kampf gegen die illegale Immigration betrachtet wird, auch wenn die Prinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention, die es ratifiziert hat, dort nicht respektiert werden, und der UNHCR nicht in der Lage ist, den Schutz der Personen, denen er internationalen Schutz zugesichert hat, zu gewährleisten.

Im Zusammenhang mit der «Externalisierung» der EU-Migrationspolitik sind die Toten von Ceuta und Melilla im Jahr 2005 ebenso wie heute die Razzien von Rabat, die in menschenunwürdigen Bedingungen ihrem Schicksal überlassen werden, die Opfer dieser unverantwortlichen Politik.

26. Dezember 2006